Innerhalb von nur einem halben Jahr seit März bis September 2017 hat Manuel Neuer, der deutsche Nationaltorwart und Weltmeister-Kapitän, drei Mal Fuß gebrochen: Über seine Teilnahme bei der WM 2018 in Russland zitterte die ganze deutsche Fußballgemeinschaft. Nur dank der Eigenbluttherapie wurde die Verheilung der Brüche beschleunigt und sein Comeback gesichert.
Die PRP-Therapie – abgeleitet von plättchenreichem Plasma und genannt auch als die Eigenbluttherapie - wird in der Orthopädie und Sportmedizin, insbesondere im Bereich des Leistungssports, bereits seit Ende der 1990er und mittlerweile flächendeckend eingesetzt. Zwar werden Eigenblut und Eigenblutprodukte im Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferchirurgie bereits seit 60-er Jahren angewendet, die PRP-Therapie findet erst seit wenigen Jahren ihren breiten Einzug in die Zahnarztpraxen. Und dies ist vor allem den modernen leistungsstarken PRP-Anreicherungsverfahren zu verdanken, denn heute lasst sich PRP mittels spezieller PRP-Röhrchen und Zentrifugationsprotokolle innerhalb von wenigen Minuten herstellen. Die Gründe für die steigende Beliebtheit der PRP-Therapie in der Zahnarztpraxis sind die gleichen wie in anderen medizinischen Bereichen: Schmerzlinderung, beschleunigte Geweberegeneration und verkürzte Heilungsphase.
So entfaltet PRP-Therapie ihre Wirkung
Die PRP-Anwendung stützt sich auf die Tatsache, dass Blutplättchen bei einer Stimulation z.B. im Zuge einer Blutgerinnung Wachstumsfaktoren freisetzen und damit den Heilungsverlauf begünstigen. Durch die gezielte Konzentrationserhöhung von diesen Wachstumsfaktoren an den zu behandelnden Stellen lassen sich Prozesse der Wundheilung und Geweberegeneration beachtlich beschleunigen. Diese Therapie macht sich also die körpereigenen Heilungskräfte des Patienten zunutze.
Der Referenzbereich für die Thrombozytenzahlen im peripheren Blut beträgt von 150,000/µl bis 350,000/ µl. In PRP steigt diese Konzentration um das 3 bis 8-fache auf über eine Million von Blutplättchen in einem Mikroliter. Derart hohe Thrombozyten-Konzentrationen entfesseln an der zu behandelnde Stelle eine Fülle von Effekten wie lokale Rekrutierung und Aktivierung von Immun- und Stammzellen, Induktion von Zelldifferenzierung, die zu verstärkter Geweberegeneration führt, Erhöhung der Kollagensynthese, Initiierung der Vaskularisation, Stimulation der Knochenmineralisierung etc.
Zur PRP-Herstellung werden dem Patienten 15 bis 20 ml Eigenblut entnommen. Dieses Blut wird mittels Zentrifugation in den PRP-Röhrchen so aufbereitet, dass die einzelnen Blutbestandteile voneinander getrennt und auch aufkonzentriert werden. Dieser Vorgang dauert nur ca. 10 bis 15 Minuten und kann deshalb während einer ambulanten Behandlung durchgeführt werden. Anschließend wird diese gewonnene körpereigene Substanz exakt in die erkrankte bzw. verletzte Körperstelle, z.B. durch eine Injektion, appliziert.
Zu den aus zahnärztlicher Sicht besonders beachtenswerten Wachstumsfaktoren, die von Thrombozyten ausgeschüttet werden, gehören die knochenmorphogenetischen Proteine, kurz BMP`s. Die BMP`s beteiligen sich unter anderem am Aufrechterhalten des Gleichgewichts zwischen Gewebeaufbau und -abbau des Bewegungsapparates und stimulieren zum Beispiel die Differenzierung von mesenchymalen Zellen zu Osteoblasten. Dank diesem knochenbildenden Effekt werden BMP’s auch anderweitig therapeutisch eingesetzt, wie z.B. zur Heilung von Knochenbrüchen, Osteoporose oder anderen Knochendefekten. In der Oralchirurgie hat sich aus dem Grund die PRP-Therapie als sehr nützlich erwiesen, die mittlerweile bei Zahnextraktionen, Einsatz von Implantaten, Kieferaufbau und parodontale Defekten routinemäßig eingesetzt wird.
Wie wirksam ist diese Therapie?
Nach Zahnextraktion dauert die Knochenneubildung normalerweise ca. 16 Wochen lang, wobei eine unzureichende Knochenregeneration und -dimensionierung dazu führen kann, dass nachfolgende erforderliche rekonstruktive Eingriffe nicht durchgeführt werden können. In einer unter Anwendung von PRP hierzu durchgeführten Studie wurde festgestellt, dass die mit PRP behandelten Patienten bereits nach einer Woche nach der Extraktion eine Knochendichte aufweisen, die bei den Patienten in der Kontrollgruppe erst nach 6 Wochen feststellbar ist. Diese Ergebnisse sprechen nicht nur über hohe therapeutische Wirksamkeit, sondern bescheinigte auch das Potenzial, das dieses Verfahren für eine große Reihe relevanter medizinischer Probleme bietet.
Dies gilt insbesondere für Probleme, die mit verschiedenen Komplikationen während und nach einer Zahnextraktion wie Zahnwurzelfraktur, erschwerte Extraktion durch atypische Wurzelformation, Ankylose, Entzündung der Wunden etc. verbunden sind und von denen vor allem ältere Patienten stark betroffen werden. Diese Komplikationen können in einem verstärkten Knochenverlust resultieren, die sich durch aufwendige rekonstruktive Eingriffe nicht beseitigen lassen. Die PRP-Verfahren agiert in diesem Zusammenhang als eine einfache, kostengünstige und zuverlässige adjuvante Therapie zur Beschleunigung der Heilung und Knochenaufbau und damit auch zur Verkürzung der Wartezeit für Patienten, die Prothesen oder Zahnimplantate benötigen.
PRP-Einsatz in klinischen Anwendungen
PRP hat sich mitteleweile bei vielen oralchirurgischen Eingriffen als wirksames Mittel gezeigt. Eines der besten Beispiele hierzu ist die Behandlung von parodontaler Knochentaschen, wo mittels PRP eine signifikante Verminderung der Sondierungstiefe und deutliche Verbesserung der Knochenregeneration im Vergleich mit konventionell behandelten Kontrollprobanden erzielt werden konnte. Die PRP-Therapie kann auch Knochentransplantation unterstützen, die bei einem zur Verankerung eines Zahnimplantat unzureichendem Knochenvolumen eingesetzt wird. Auch in anderen Bereichen wie Alveolenheilung, knöcherne Augmentation des Sinusbodens (Sinuslift), Onlay- als auch für Inlay-Transplantate, Kammaugmentation, Verschluss von Lippen und Gaumendefekten, Reparatur von Knochendefekten nach Zahnextraktion oder Zystenentfernung und Reparatur von Fisteln zwischen der Sinushöhle und dem Mund kann diese Therapie erfolgreich zur Anwendung kommen.
Das National Institute of Health stellte in einer seiner Studie bereits 2013 folgendes fest: „Die Wachstumsfaktoren von PRP könnten die epitheliale Wundheilung beschleunigen, die Gewebeentzündung nach chirurgischen Eingriffen verringern, die Regeneration von Knochen und Weichgewebe verbessern und die Gewebevaskularisation fördern“. Heute sind alle diese Punkte nach unzähligen Studien nur zu bejahen.
Auswirkungen auf die Behandlung von BRONJ
Bisphosphonate-assoziierte Kiefernekrosen (BONJ - bisphosphonate-associated osteonecrosis of the jaw) treten vor allem bei Patienten auf, die im Zuge eines zahnärztlichen oder kieferchirurgischen Eingriffes mit Bisphosphonaten behandelt worden sind. Bisphosphonate sind Knochenabbau-Hemmer und werden bei Medikation von Knochenmetastasen oder Osteoporose eingesetzt. Dies geschieht durch eine Blockade von der Osteoklasten-Aktivität: Infolge der Behandlung können die an Zellrezeptoren gebundene Wachstumsfaktoren keine Auswirkung auf die Zelle mehr ausüben, wodurch die Apoptose der Osteoklasten induziert wird.
Da plättchenreiches Plasma vielfach höhere Konzentrationen verschiedener Wachstumsfaktoren enthält, spricht es für sich, dass es zumindest in Form einer adjuvanten Therapie zur effektiven Behandlung von BONJ eingesetzt werden könnte. Der regenerative PRP-Einsatz wurde bereits bei der Behandlung der Kiefergelenkarthrose und Kiefernekrosen in mehreren Studien erfolgreich demonstriert.
Praktische unmittelbare Nutzeffekte der PRP-Therapie
Neben einer Reihe von oben angesprochenen therapeutischen Vorteilen sollten aber auch einige praktische Nutzeffekte dieser Therapie nicht außer Sicht gelassen werden: Es ist eine kostengünstige, einfache und schnelle Behandlung, die ambulant innerhalb einer Viertelstunde durchgeführt werden kann und die auch eine hohe Einwilligungsbereitschaft der Patienten voraussetzt. In der medizinischen Praxis etablierte sich die Vorgehensweise, bei der nur eine Punktion sowohl zur Blutentnahme als auch zur Verabreichung von Infusionen oder Arzneimitteln angewendet wird, um den Patienten überflüssige Unannehmlichkeiten durch mehrere Einstiche zu ersparen, und die genauso für PRP-Herstellung verwendet werden kann. Die gesamte Therapie-Zubehör, der für die Blut-Zentrifugation und PRP-Gewinnung benötigt wird, ist einfach zu benutzen, leicht aufgrund kleiner Dimensionen aufzubewahren und kann schnell nach Verbrauch nachbestellt werden.